Eigener Bericht
Autor Josef Berkemeier
Ostersonntags 1945 wurde Saerbeck von der NS-Herrschaft befreit. Noch im Morgengrauen war der Schlaf der Dorfbewohner durch das grollende Geräusch heranrückender Militärkolonnen gestört worden. Das Dröhnen wurde immer lauter, während sich die alliierten Truppen dem Ort näherten.
Mit taktischem Geschick umgingen die alliierten Streitkräfte die deutsche Flakstellung beim Hof Selig und wählten auch nicht den Elter Damm für ihren Vormarsch. Stattdessen bewegten sie sich zunächst Richtung Riesenbeck, um dann über den Jacksonweg durch das Sinninger Feld auf Saerbeck zuzurollen. Ab vier Uhr morgens rasselten die ersten Spähpanzer auf den Ortskern zu. Trotz der angespannten Lage blieben viele Dorfbewohner ihren Traditionen treu und besuchten die frühmorgendliche Ostermesse – die Ucht – in der Kirche. Die feierliche Zeremonie begann um fünf Uhr.
Schwester Placida, die in den Kriegsjahren den Dienst als Küsterin und Organistin übernommen hatte, stand zitternd vor der Kirchentür und wagte es kaum, diese zu öffnen. Doch Dechant ließ sich nicht beirren und begann den Gottesdienst. Dieser wurde jedoch jäh unterbrochen, als plötzlich alliierte Soldaten die Kirchentüren aufstießen. Sie gaben dem Geistlichen zu verstehen, dass die Messe sofort beendet werden müsse. Doch bevor er die Gläubigen entließ, stimmte er noch das „Halleluja“ an – ein Gesang, der an diesem Morgen mit ungekannter Inbrunst durch die Kirche hallte.
Die Dorfgemeinschaft suchte nun nach einem Freiwilligen, der den Alliierten entgegengehen und die kampflose Übergabe des Dorfes erwirken sollte. Die Wahl fiel auf Josef Willebrandt Senior. Mit einer gut sichtbaren weißen Fahne in den Händen schritt er entschlossen die Emsdettener Straße entlang. In Höhe des Friedhofs traf er auf die fremden Soldaten, erklärte die Lage und verkündete die Kapitulation des Dorfes. Wenige Minuten später rollten alliierte Militärfahrzeuge in den Ortskern ein – ohne dass ein einziger Schuss fiel. Saerbeck war befreit, ohne dass es zu Zerstörungen kam.
Doch die Hoffnung auf ein Ende des Kampfes erfüllte sich nicht vollständig. Statt die Flakstellung ebenfalls kampflos zu übergeben, entschied der leitende deutsche Offizier anders. Es kam zu einem Gefecht, bei dem mehr als ein Dutzend jugendlicher Flakhelfer, die meisten gerade einmal 16 Jahre alt, ihr Leben verloren. Später sorgte die Tatsache, dass viele von ihnen Kopfschüsse aufwiesen, für Spekulationen: Hatten deutsche Soldaten die jungen Männer wegen Fahnenflucht erschossen?
Diese und weitere Fragen werden heute Abend um 19:30 Uhr im Pfarrheim im Rahmen einer Gedenkstunde behandelt. Dort wird auch das Buch „Der lange Schatten der Vergangenheit“ vorgestellt, das eine schlüssige Antwort auf diese Mutmaßungen liefert.
Die Veranstaltung soll nicht nur an die Geschehnisse von 1945 erinnern, sondern auch Raum für Gespräche und Reflexion bieten – über das, was war, und das, was wir daraus lernen können.

Das Foto ist von 1930 datiert und stammt aus dem Archiv des Heimatvereins
Blick in die Emsdettener Straße vom Friedhof aus gesehen. An der Stelle, an der das Foto entstand, wurde damals das Dorf kampflos den Alliierten übergeben.